Gerda war ein sechser im Lotto

10.07.2024

Pete-Tochter Florance vor der Alpe Novai. Die Kühe kommen dort nur zum Melken in den Stall und sind sonst auf der Weide.

Mit Gardan-Tochter Gerda rückte Georg Florin an der Europaschau 2008 in Rotholz in den Fokus der internationalen Brown Swiss-Zucht. Zwölf Jahre später feierte ihre Urenkelin Norwin Gentel einen Riesenerfolg an der Europaschau in Verona. Und heute? Zu Gast bei einem engagierten Züchter und einer außergewöhnlichen Kuhfamilie.

JOSEF BERCHTOLD

Georg Florin aus Serneus in Graubünden erinnert sich noch genau an diesen 28. September 2006: Er hatte eben zwei starke Kühe verkauft, eine Tau-Tochter und die Norwin-Mutter Precise Dubai, und damit das nötige "Kleingeld" in der Tasche, um sich einen Wunsch zu erfüllen: Gardan-Tochter Gerda, ein Traum von einem Braunviehtier. "Ich hatte sie wenige Tage vor ihrer ersten Kalbung zum ersten Mal gesehen und wollte sie unbedingt haben", sagt Georg, der sowohl Züchter als auch Viehhändler ist. Der erste Kaufversuch endete erfolglos. Jetzt, drei Tage nach ihrer Kalbung, fährt er zum zweiten Mal zu Hans Breitenmoser ins Appenzellerland. Nachdem ihn dieser einen stolzen Preis nennt, schlägt Georg sofort ein, der Kauf ist besiegelt. Interessantes Detail: Gezüchtet wurde Gerda nur 4 Kilometer von Florin entfernt, von Hans Gruober in Klosters. Der verkaufte sie erst nach Thurgau und von dort kam sie nach Appenzell, wo Florin sie entdeckte.

Wenige Tage nach dem Kauf studierte Georg das Pedigree von Gerda noch genauer und sagte zu seinem Vater: "Diese Kuh ist ein Sechser im Lotto!" Ihr Stammbaum war gespickt mit starken und langlebigen Kühen. Der Rest ist Geschichte: An der Europaschau 2008 wurde Gerda Euterchampion und Honorable Mention. Mit ihrem bestechenden Euter war die breite, mittelrahmige Kuh Liebling der Zuschauer. Gut ein Jahr später wurde ihr Sohn Vidal (<Vigor) geboren. Bei Florin brachte es Gerda auf 105.000kg Lebensleistung.

Der Hof der Familie Florin im Schweizer Kanton Graubünden.

MELKROBOTER

Wir schreiben den 12. Juni 2024, als wir Familie Florin an ihrem schönen Betrieb in der Region Prättigau auf 1000 Höhenmetern besuchen. Serneus ist eine Fraktion der Gemeinde Klosters, einem bekannten Ski- und Tourismusort in Graubünden. Schon von weitem sieht man Florins neuen Milchviehstall. Mit ihm machten sie gleich zwei Entwicklungsschritte, vom Anbindestall mit niedriger Decke und Handentmistung zum modernen und automatisierten Laufstall. Die Liegeboxen sind satt mit Stroh eingestreut und der großzügige Abkalbebereich fällt sofort ins Auge. Zentral im Stall verrichtet ein Melkroboter seine Arbeit. Der Kuhstall hat eine Höhe von 3,70m und darüber befinden sich das Futterlager mit 2400m3 belüftbaren Heuboxen und Platz für weiteres Futter sowie Maschinen. An diesem kühlen Junitag sind nur noch wenige Kühe am Hof: Während des Sommers kommt fast der gesamte Viehbestand auf die Weiden der Alpgenossenschaft, deren Alpmeister Georg ist. Die meisten Kühe sehen wir deshalb auf der Alp Novai auf 1450 Höhenmetern an. Rund 80 Kühe von drei Betrieben werden hier gemolken und deren Milch wird zu Alpkäse verarbeitet.

GENTEL/GRAZIA

Vor allem Gerdas Nachkommen prägen die starke Herde. Ihre Tau-Tochter Grazia EX-93 bringt bei 120.000kg Lebensleistung bald ihr zwölftes Kalb und ihr Euter sieht überragend aus. Florins bekannteste Kuh ist Norwin Gentel 1-VG-86: An der Europaschau 2020 holte Gentel dieselben Titel wie Gerda 2008: Sie wurde für das beste Euter Europas geehrt und Honorable Mention. Gentel vereint zwei Familien Florins: Ihr Vater ist der Stier Norwin, der auf Florins Starbuck Stara zurückgeht. Und ihre Urgroßmutter ist Gerda. Gentel hat nach 4 Abkalbungen bereits 50.000kg 4,14%F 3,69%E Lebensleistung.

Eine Leistungsmaschine ist Gerdas Grischa Star-Tochter Gambia GP-83, die ihre 3. Laktation mit 13.259kg abschloss. Deren Frosty-Tochter Gipsy VG-85 (1. La. 9323kg 4,48% 3,84%) mit GZW 1260. Levi Gordana (Levi x Glenn x Tau Grazia x Gerda) ist eine Eiweißkanone (1.La. 7687kg 4,84% 4,16%) aus der Agrischa-Siegerin Glenn Granada und Holdrio Giannina 1-GP-84 eine sehr korrekte Tochter aus Tau Grazia mit 8600kg Erstlaktation. Die letzte Gerda-Tochter ist Phil Gini, die in ihrer 2. Laktation auf 10.500kg kommt. Aus ihr gibt es gute Rinder von Brice und Huge. Trauriges Detail: An dem Tag, an dem Gini geboren wurde, starb Gerda.

KUHFAMILIEN


Auch Kühe aus anderen Linien fallen ins Auge. Zum Beispiel Salomon Gitana 1-VG-84 mit einem Euter, wie man es nur selten findet. Gitana war Euterchampion an der Agrischa 2024 und ihre Lennox-Tochter Lathina VG-85 Euterchampion und Honorable Mention bei den Erstmelkkühen. Palmer Fjenna GN-84 (1.La. 10.378kg 3,67% 3,31%) stammt aus der Linie von Jongleur Fleur, die durch Siege in Lausanne und Wattwil bekannt wurde. Fleurs Großmutter Emerald Fiorella EX-94 (ø5La. 11.354kg 3,68% 3,35%) war eine von Florins besten Kühe. Auch Pete Florance (1.La. 8905kg 3,93% 3,69%) ist aus dieser Familie, sie gewann kürzlich an der Regionalschau Agrischa ihre Abteilung. Ein sehr bekanntes Bild gibt es von Zolivo Susi EX-94: Ihre Aufnahme ziert die Plaketten für den Fitnessstar von Braunvieh Schweiz. Aus dieser Linie ist Capucino Sangria (1.La. 10.736kg 3,88% 3,36%), die viermal Junior Champion an einer Schau war.

EUTER/LEISTUNG/FRUCHTBARKEIT

Georg Florin hat klare Vorstellung über die Kuh, die er züchten will: Euterqualität, Leistung und Fruchtbarkeit sind die wichtigsten Merkmale. Besonders im Euter macht er keine Kompromisse. "Im Handel ist ein starkes Euter der größte Trumpf", sagt er. Aber auch in der eigenen Herde ist ein gut angebundenes und hohes Euter mit vier korrekten Zitzen wichtig. Andere Merkmale hingegen werden überbewertet, findet Georg. Als Beispiel nennt er einen etwas erhöhten Schwanzansatz, der an Schauen bestraft wird. "Wenn die Neigung oder die Breite vom Becken nicht passen oder eine Kuh einen eingefallenen Mastdarm hat, dann wird das zurecht kritisiert. Aber welchen wirtschaftlichen Grund gibt es dafür beim erhöhten Schwanzansatz?", frägt er. Bei der Stierauswahl sind ihm die Blutführung und die Kuhfamilien sehr wichtig, auf der Mutter-, wie auf der Vaterseite. Wenn er die Vorfahren nicht kennt oder sie ihm nicht gefallen, dann lässt er von einem Stier lieber die Finger. "Viele Bauern lassen sich sehr von schönen Bildern blenden", findet Georg, dabei schaue heute fast jede Kuh auf einem bearbeiteten Bild schön aus. Georg besamt fast nur reinrassig braun und sehr viel gesext. Etwa 45 Kuhkälber kommen jedes Jahr zur Welt und 25-30 zieht er selber auf, die restlichen verkauft er. So kommen schon aus dem eigenen Betrieb zahlreiche Tiere für den Handel. "Es wird zu viel Mast besamt und wir sollten die hervorragenden Alpflächen in Graubünden wieder stärker zur Aufzucht nutzen", findet er und betont: "Die Nachfrage nach guten Braunviehkühen ist auf jeden Fall da!"

Die Kuh, die alle liebten: Gardan Gerda im Jahr 2008 mit ihrem super Euter.

Georg Florin, Schweiz

Familie Florin mit der 14-jährigen Tau-Tochter Grazia mit 120.000kg Lebensleistung.

Auhof der Familie Florin in Klosters-Serneus auf 1000m>NN Fläche: 37ha LN Herdenleistung: 9300kg 3,9%F 3,6%E, 80.000 CC Fütterung (Winter): Heu, Öhmd, Grassilage, Silomais (8kg/17,6lb), Zuckerrübenschnitzel (6kg), Energiefutter 7,4MJ (max.3,5kg/7,7lb), Eiweißfutter 39%RP (max.2,5kg) Kühe von: Brice (4), Levi, Norwin (3), Jungvieh von: Pete (10), Haegar (8), Owen (5), Adee, Brice, O'Malley (4)

EUTER/LEISTUNG/FRUCHTBARKEIT

Georg Florin hat klare Vorstellung über die Kuh, die er züchten will: Euterquallität, Leistung und Fruchtbarkeit sind die wichtigsten Merkmale. Besonders im Euter macht er keine Kompromisse. „Im Handel ist ein starkes Euter der grösste Trumpf“, sagt er. Aber auch in der eigenen Herde ist ein gut angebundenes und hohes Euter mit vier korrekten Zitzen wichtig. Andere Merkmale hingegen werden überbewertet, findet Georg. Als Beispiel nennt er einen etwas erhöten Schwanzansatz, der an Schauen bestraft wird. „Wenn die Neigung oder die Breite vom Becken nicht passen oder einen Kug einen eingefallenen Mastdarm hat,  dann wird das zurecht kritisiert. Aber welchen wirtschaftlichen Grund gibt es dafür beim erhöhten Schwanzansatz?“, fragt er. Bei der Stierauswahl sind ihm die Blutführung und die Kuhfamilien sehr wichtig, auf der Mutter-, wie auf der Vaterseite. Wenn er die Vorfahren nicht kennt oder sie ihm nicht gefallen, dann lässt er von einem Stier lieber die Finger. „Viele Bauern lassen sich sehr von schönen Bildern blenden“, findet Georg, dabei schaue heute fast jede Kuh auf einem bearbeiteten Bild schön aus. Georg besamt fast nur reinrassig braun und sehr viel gesext. Etwa 45 Kuhkälber kommen jedes Jahr zur Welt und 25-30 zieht er selber auf, die restlichen verkauft er. So kommen schon aus dem eigenen Betrieb zahlreiche Tiere für den Handel. „Es wird zu viel Mast besamt und wir sollten die hervorragenden Alpflächen in Graubünden wieder stärker zur Aufzucht nutzen“, findet er und betont „Die Nachfrage nach guten Braunviehkühen ist auf jeden Fall da!“

MEILENSTEIN

Interessant ist die Entwicklung des Betriebes. Georgs Vater Christian war von 1968 an 15 Jahre lang Stallchef am Plantahof und durfte dort mitwirken, die bekannte Herde aufzubauen. 1983 konnte er mit seiner Frau Ursula den Hof mit 4ha Land kaufen, an dem Florins heute ihren Betrieb haben. Das Wohnhaus und die Wirtschaftsgebäude wurden seitdem erneuert und mittlerweile besitzen Florins 20ha Eigenland. Georg und seine Frau Nicole ziehen an einem Strang und werden von den Kindern Marc (18), Larissa (17) und Lyana (15) sehr gut unterstützt. Seit 2015 bildet Georg auch Lehrlinge aus. Ein Meilenstein in der Betriebsentwicklung ist der neue Stall. Nach einer gut halbjährigen Bauzeit konnten sie vergangenes Jahr mit ihren Kühen einziehen. Es war am 11. September 2023 – diesen Tag vergisst Georg genauso wenig wie jenen, an dem Gerda mit einem Handschlag sein Eigen wurde.

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